Wenn einer geht

Vor gut sieben Jahren stolperte ich online über ein Haus, das zum Verkauf stand. Klein und aus den 30er Jahren, musste unfassbar viel daran gemacht werden, aber genau deshalb konnten wir es uns wohl auch leisten. Ich wollte es, der Mann war (vorsichtig formuliert) verhalten. Und so ist es bis heute. Ich werkel hier vor mich hin. Er nicht.

Und dann kam René. Eine Koryphäe, wenn es darum geht Ersatzteile für alte Holzrolladen aufzutreiben und sie zu reparieren, hieß es. Ich erinnere noch, wie er polternd und laut auf die Baustelle kam und jedem Handwerker versicherte, er könne all das, was sie tun, auch. René duzte jeden und jede und blieb.

Wenige Wochen danach zogen wir ein und die Handwerker gingen. Nur René nicht. Er kam weiterhin eigentlich jede Woche hierher. Sechseinhalb Jahre lang. „Was liegt an?“ war immer die erste Frage, wenn er seine lappige (irgendwann mal) schwarze Weste über einen der Stühle im Eßzimmer hängte. Und dann haben wir zusammen gebastelt, gebaut, gehängt, gebohrt, gestrichen, repariert, poliert und gemacht, was immer zu machen war. Bis aus dem Haus ein Zuhause wurde.

Ziemlich bald hing eine Liste am Kühlschrank mit Allem, was ich haben, bauen, ändern wollte. Und ehe René ging, strich er durch, was erledigt war, um sich dann ein Bier aus dem Kühlschrank zu nehmen.

Wenn etwas kaputt ging, gewöhnte ich mir an es auf die Werkbank zu legen. René wußte dann schon und kümmerte sich darum. Manchmal aßen wir zusammen. Aber nicht oft. René aß gerne, kochte auch. Frankfurter grüne Sauce war sein Schönstes. Er stand erst mittags auf und seine Nachrichten kamen grundsätzlich erst am späten Abend. Ab und an erzählte er von seiner Familie in Hessen, der Schwester in Tansania, der besten Freundin hier in Berlin. Ein schlechter Schulabschluß, keine Ausbildung, aber ein begnadeter Handwerker. Er konnte wirklich alles. Weggeschmissen wurde nichts. Fast nichts.

Wir hätten nicht gegensätzlicher sein können. Vielleicht haben wir uns deshalb so oft gestritten. Im Winter, wenn er die Fenster aufriß, weil ihm zu warm war (während ich fror), wenn ich den Staubsauger halten sollte um Bohrstaub aufzufangen (andersrum war für ihn nie eine Option), wenn ein Zollstock nicht da lag, wo er ihn haben wollte. Und doch kam er immer wieder. Wie oft ging er mir auf die Nerven. Wenn er mir ungefragt Dinge erklärte oder Ratschläge gab. Oder wenn er mit den immer gleichen dicken schwarzen Stiefeln durchs Haus ging und überall Erdklumpen lagen. Wie oft habe ich ihn dann alleine machen lassen und mich hinter meinem Laptop versteckt.

Die Duschwand hatte er gerade erst eingebaut; die Halterung fürs Kaminbesteck und das Metallbrett über der Werkbank waren begonnen, aber nicht fertig. Wir hatten doch noch so viel Zeit.

Aus Tansania brachte er mir ein Stück bedruckten Baumwollstoff mit, riesengroß in grün und pink – meine Lieblingsfarben –  weil es Wolle nicht gab. Und im Mai oder Juni muss es gewesen sein, dass ich ihn mit dem Handy gefilmt habe, als er versuchte vor dem Haus einen Korb zu werfen. Der Sohn war dabei und zu dritt haben wir so gelacht. Später habe ich das Video gelöscht, weil ich Speicherplatz brauchte und sicher war, diesen Moment wiederholen zu können.

Kann ich aber nicht. Vergangene Woche ist René an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Er war so alt wie meine kleine Schwester.

Ich habe es gestern erst erfahren. Und zum ersten Mal kann ich es hier im Haus kaum aushalten. Weil es keinen Raum gibt, kein Ding, nichts, wo René nicht mitgemacht hat oder wenigstens seinen Senf dazu gegeben hat. Er geht mir nicht aus dem Kopf. Ich bin unendlich traurig. Und doch kann ich nicht glauben, dass das alles vorbei sein soll.

Waren wir Freunde? Ich glaube ja.

Soap Socks

Soap Socks* – sagt Euch das was? Wieder sowas, was ich unbedingt ausprobieren wollte, kaum dass ich davon gelesen hatte. Und siehe da: es funktioniert!

Wie die Seife umstrickt wird – ob in Runden oder als Rechteck, das dann zusammengenäht wird – ist egal, solange das Seifenstück fest in seiner Socke sitzt. Ich habe 20 Maschen mit Judy’s Magic Cast On angeschlagen (Videos dazu sind überall im Netz), in den ersten Reihen ein-/zweimal zugenommen und in Runden gestrickt. Egal, wie mans macht, gestrickt wird glatt rechts, weil kraus-rechts eher nicht funktioniert (das liegt nicht so eng an).

Filzwolle ist cool, weil die durch den Gebrauch von warmem und kaltem Wasser und das Reiben der Seife verfilzt. Oder 100% Schurwolle für den gleichen Effekt.

Genau das habe ich gemacht: die Lieblingsseife mit einem Rest Lettlopi umstrickt, die offene Seite mit Maschenstich zusammengenäht und meinen Testern (Mann und Sohn) je ein Stück Seife in die Hand gedrückt. Und siehe da: beide fanden das gut.

Das mag allerdings auch an der Seife gelegen haben, weil die “mitgemacht” hat. Wäre sie zu hart, käme weniger (oder gar kein) Schaum durch die Wolle, wäre sie zu weich, hätte man kein Stück mehr in der Hand, sondern Matsch.

Ist mit meiner Seife beides nicht passiert. Ein Glückstreffer sozusagen.

Die aktuelle Lieblingsseife (handgeschöpft und handgeschnitten, rein biologisch und vollgepackt mit schönen Ölen, außerdem vegan und ohne künstliche Konservierungsstoffe) gibt es übrigens hier. Jedes Stück ist gewickelt ins eigene Mini-Handtuch (ja, durchaus eine Alternative zum umstricken).

Schon lange benutzen wir Seifenstücke und keine Flüssigseife mehr. So, wie wir auch überall sonst im Alltag versuchen Plastik zu vermeiden. 300 Millionen Tonnen werden davon alljährlich produziert. 300.000.000 Tonnen! Abartig, oder? Zum Glück achten immer mehr Menschen darauf Plastik zu reduzieren. Pia gehört schon lange dazu – und wie es der Zufall will, ist Seife auch ihr Thema im aktuellen Blogpost (wenn auch für die Haare).

Ich habe Gefallen gefunden an den Soap Socks. Man kann die bestimmt auch in den Wäscheschrank legen, solange sie noch nicht verwendet werden. Das riecht dann gut (keine Ahnung, ob es an der Wolle liegt, aber der Geruch scheint echt lange zu halten). Oder ich verschenke das eine oder andere Stück.

Vielleicht versuche ich mal Soap Sock-Varianten. FairIsle oder so. Wenn das dann verfilzt, sieht es mit Glück so ähnlich aus wie die Gummistiefel-Einlegesohlen, die ich immer schon mochte. Mal sehen.

Kann man / darf man Seife verschenken oder brüskiert man damit die Beschenkten?

 

 

* ja, ich könnte die natürlich auch Seifensocken nennen, aber so schön wie Soap Socks hört sich das einfach nicht an.

Punkte

Pünktlich zum Ende des Sommers ist vorgestern mein Sommerprojekt fertig geworden. Und ich bin begeistert! Auch wenn es bisher nicht gebadet hat und die Fäden noch nicht vernäht sind. Spannen werde ich es eh nicht, glaube ich. Das würde den Punkten nicht bekommen – es wäre vorbei mit der “Luftpolsterfolie” und das wäre schade. Schließlich ging es (mir) doch immer genau darum.

Damals, beim ersten YarnCamp (war das wirklich 2013?!), habe ich Kathi gefragt, ob sie mir zeigen kann, wie man Punkte strickt. So haben wir uns kennengelernt!

Zwei (drei?) Jahre danach habe ich die Anleitung für den IceCream Shawl auf Ravelry gesehen und unter meinen Favoriten gespeichert.

Aber – gut Ding’ will Weile haben – und so dauerte es nochmal bis September 2017 bis ich bei BerlinKnits (übrigens wieder mit Kathi. Und mit Pia) angefangen habe nach passender Wolle zu suchen. Rot und weiß wollte ich haben, wie ein Marienkäfer … Ich kann ja immer noch drüber lachen, dass mich da niemand korrigiert hat.

Gefunden habe ich das, was ich haben wollte, schließlich Anfang des Jahres bei der Wollnerin. Drei Stränge Sockenwolle: zwei in natur, der dritte handgefärbt in wunderbarstem Rot. Gestrickt habe ich allerdings auch dann noch nicht, weil Haus, Motten, andere Projekte wichtiger waren schienen.

Und so hatte ich das Tuch erst Anfang August als Sommer(ferien)projekt auf den Nadeln.

Jetzt ist es fertig! Ziemlich groß (210×44 cm), wunderbar weich, mit unerwartet spannender Rückseite – alles toll! Bis auf den Fusch … Ich sehe ihn. Immer. Ihr seht ihn auch. Guckt weg bitte …

Wie war das noch? It’s not a bug – it’s a feature … Ich muss nur noch rausfinden wofür.

Sommer Nachwehen

Auf Instagram sind jetzt überall Bilder von Wollmützen, Wolljacken, Wolljubel – meint Ihr das ernst? Wollt Ihr das echt schon wieder? Socken an den Füßen und Wolle am Hals? Ich ehrlich gesagt nicht. Da bin ich noch weit (!) von entfernt.

Stricken? Ja! Tragen? NEIN!

Noch nicht. Wenns nach mir geht, kann es gerne noch eine Weile warm und vor allen Dingen hell sein. Immer barfuß und Frühstück draußen. So, wie in den Ferien. Das war so schön!! Auch ohne dass wir viel gemacht haben.

Wobei das so nicht ganz richtig ist. Wir waren notgedrungen ungemein sportlich … Denn statt Straßen oder Wegen gabs am Ferienort unfassbar viele Treppenstufen. 130 bis zum Supermarkt, 42 zum Strand, 68 in die Stadt. Stufen, Stufen, Stufen. Ich hab’ jetzt Oberschenkel wie … ach, lassen wir das.

Und auch dem Sohn gehts wieder gut. (Danke für Eure so wunderbaren Kommentare hier und überall sonst!!) Er hat sich nicht nur erholt, sondern auch entschieden, wie es für ihn weitergeht: Überraschung – er wird Basketball spielen 🤣 (als ob da irgendjemand je dran gezweifelt hätte …), wenn auch zwei Ligen weiter unten. Coole Mannschaft, großartiges Vereinskonzept, logistisch machbar, ohne dass ich ihn immer fahren muss und – vor allen Dingen – jede Menge Spaß. Genug Vorfreude, um auch in den Ferien kaum einen Tag ohne Ball unterwegs gewesen zu sein.

Was war sonst? Im Gegensatz zu den Vorjahren habe ich kaum Blätter gestrickt. Ich glaube, nach drei Jahren bin ich damit durch. Außerdem war es so heiß, so unfassbar heiß, …

Klar gab es trotzdem ein Sommerprojekt. Hier ein Bild von den Anfängen. Dazu inspiriert hat mich die (Kauf-)Anleitung des IceCream Wrap. Mit deutlich dünnerem Garn und nur zwei Farben ist das Ergebnis schmuseweich und mit sensationeller Rückseite. Seit gestern Abend ist es fertig – Bilder davon kommen bald.

Vor 10 Tagen hat die Schule wieder angefangen. Der Mann ist wieder im Rheinland, ich jongliere Sohn, Job, Haushalt. Alles wie immer. Nur jeden Tag ein bißchen kühler, ein bißchen dunkler.

Und immer dann, wenn mich das gruselt, gucke ich mir dieses Tuch an. Mein Fliegenpilz. Vielleicht wird der Herbst ja doch ganz schön …